Yassir Eric erzählt...
Die erste Bibel
Eines Morgens wachte Ahmed auf, mit dem tiefen Verlangen, etwas über das Christentum zu erfahren. Nicht so schwierig, dachte er, wo er doch als Asylant im Schwarzwald lebte. Deutschland war ja ein christliches Land, also war jeder Deutsche ein Christ, und er musste nur einen ansprechen.
Er machte sich auf den Weg zum Bahnhof, mitten im Berufsverkehr, wo er einen Mann mit schicker Krawatte entdeckte. „Na, der muss ja Ahnung haben!“, dachte er und ging auf ihn zu: „Hallo, ich bin Ahmed aus dem Irak, und ich möchte etwas über das Christentum und die Bibel wissen.“ Doch der Mann entschuldigte sich höflich und meinte, er habe keine Zeit. Ahmed aber ließ nicht locker: „Ok, dann geben Sie mir einfach eine Zeit, und ich komme zu Ihnen, ganz egal wann.“ Der Deutsche – nennen wir ihn J. – war so überrumpelt und in Eile, dass er ganz spontan ein Treffen für den nächsten Tag vereinbarte. „Worauf habe ich mich da wohl eingelassen? Ich habe die Bibel selbst noch nie gelesen, habe ja noch nicht einmal eine!“ Diese Gedanken gingen J. durch den Kopf, als er sich vor seinem Treffen mit Ahmed noch schnell eine Bibel im nahe gelegenen Buchladen kaufte.
Ahmed fragte beim Treffen: „Was glauben Christen?“ Als intellektuelle Person mit Promotionsabschluss schämte sich J. zuzugeben, dass er das nicht wusste. Also erzählte er irgendetwas und las mit Ahmed hier und da in der Bibel. Für beide war es das erste Mal. Ahmed war begeistert und machte sofort einen weiteren Termin aus. J. blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen und Ahmeds Fragen zu googeln, damit er das nächste Mal mehr erzählen konnte.
Vier Wochen und einige Treffen später fragte Ahmed: „J., wie kann ich eigentlich Christ werden?“ Da wurde J. ehrlich: „Weißt Du was? Ich weiß es auch nicht.“
Das war der Moment, an dem sie eine der Integrationsbegleiterinnen am Ort kontaktierten. Diese rief mich an, und so traf mich mit den beiden an der AWM. Beide kamen zum Glauben und ließen sich taufen. Durch die Neugier des traumatisierten Flüchtlings mit einfachem Hintergrund kam J. ins Fragen: „Was so viel Begeisterung weckt und einen Menschen derart berührt, muss doch wahr sein …“
Bild von Megan Markha auf unsplash.