Von dominant zu gesandt
Welchen Platz hat die Kirche in der Gesellschaft? Prächtige Dome und Kathedralen dominieren nach wie vor die europäischen Innenstädte. Die alten Kirchen stehen immer noch in der Dorfmitte. Über Jahrhunderte hinweg dominierte die Kirche nicht nur das Stadtbild, sondern prägte Kultur und Gesellschaft. Die komplexe Symbiose zwischen Staat und Volkskirche machten das Abendland „christlich“. Doch kulturelle Dominanz resultierte nicht unbedingt in Nachfolge Jesu. Im Gegenteil, manches von dem, was die Kirche in ihren dominanten Zeiten ausmachte, ist für Zeitgenossen heute Grund, dem christlichen Glauben den Rücken zu kehren. Wenn das Gespräch auf Gott kommt, ist „mit der Kirche will ich nichts zu tun haben“ eine typische Reaktion. Aus kultureller Dominanz wurde kulturelle Distanz.
Die Kirchengeschichte erlebte immer wieder Erneuerungsbewegungen, die eines gemeinsam haben: Die Rückbesinnung auf die Nachfolge Jesu. Wenn die Gemeinde der Leib Christi ist, dann ist das gemeinsame Leben von Jesus-Nachfolgern die „Körpersprache“ Gottes in dieser Welt, die Körpersprache, welche die Predigt des Evangeliums ergänzt. Um die kulturelle Distanz mit dem Evangelium in jeder Generation und in aller Welt zu überwinden, gibt es nur einen Weg: den Weg, den Jesus selbst ging. So wie Jesus in die Welt gesandt ist, so sendet er seine Jünger (Joh 20,21). Er nimmt die Kirche in seine Mission mit hinein. Diese Sendung ist vor allem von Liebe geprägt (Joh 17).
Die Wirkung dieser Sendung wird nicht gesellschaftliche Dominanz oder Popularität sein, ja, oft noch nicht mal zu gesellschaftlicher Akzeptanz führen. Aber wo der Ruf zur Umkehr und die Einladung zur Nachfolge Jesu gehört wird, entfaltet sich durchaus eine Wirkung auf das Umfeld. Eine ausgezeichnete Reflexion zu Wesen und Wirkung dieser Sendung ist die Kapstadt-Verpflichtung von 2010. Gemeinsam zu lernen, wie diese Sendung unseren Alltag prägen kann, was sie für unsere Gemeinden und Organisationen ganz konkret bedeutet, steht im Zentrum unseres Lehr- oder besser Lernauftrags als European School of Culture and Theology.
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