Scheitern in Gottes Mission
Als Kind hörte ich die beeindruckenden Geschichten von Missionspionieren und Glaubenshelden. Da wurde von George Müller, Hudson Taylor und anderen erzählt, wie sie in widrigsten Umständen an Gottes Zusagen festhielten und die schwierigsten Herausforderungen meisterten. Von Zweifel und Versagen handelten diese Geschichten nie. Als ich dann selber zu Biographien griff und zwar zu Biographien, die nicht nur die Erfolge, sondern auch das ganz Menschliche beschrieben, war ich erschrocken. Plötzlich wurden aus diesen geistlichen „Überfliegern“ normale Menschen, Menschen mit Fehlern, Ängsten und Zweifeln. Aber nicht nur das. Diese Pioniere erlebten auch Phasen von Erschöpfung und Scheitern. Von einer solchen Person möchte ich im Folgenden berichten.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts geht Beatrice Rohner als junge Frau in die damalige Türkei, um in einem Kinderheim mitzuarbeiten. Sie engagiert sich vor allem für armenische Kinder. Dann bricht der Sturm los. Der Völkermord an den Armeniern beginnt. Beatrice kümmert sich um die vielen Waisenkinder. Sie versorgt sie trotz schwierigster Verhältnisse in unermüdlichen Aufopferung. Auch besucht sie Armenier in den Lagern und versucht alles, um so viele Menschen wie möglich zu retten. Sie interveniert bei einem der mächtigsten Männer im Land. Doch schlussendlich ist ihr Einsatz vergeblich. Ihre Waisenhauskinder werden allesamt deportiert. Beatrice bricht zusammen. Sie kehrt traumatisiert und gebrochen aus dem Missionsdienst zurück.
Ich tue mich schwer mit der Einordnung, dass sie gescheitert sein soll. Sie hat getan, was sie tun konnte. Sie war treu bis zuletzt. Heute nennt man sie zurecht „Engel im Vorhof der Hölle“. Dort im „Vorhof der Hölle“ hat sie Zeichen der Liebe und der Hingabe gegenüber Unrecht und Hass gesetzt. Aus dem Vorhof der Hölle kann man nun mal nur verwundet zurückkommen. So gesehen ist sie ein geistliches Vorbild und trotz ihres scheinbaren Scheiterns eine Glaubensheldin.
Immer wieder merken wir an der AWM, wie der Umgang mit Scheitern gerade für Missionare eine wirklich große Herausforderung und teilweise Anfechtung ist. Hier wollen wir biblisch-theologisch und persönlich – in Vorlesungen und Gesprächen – einen geschützten Raum schaffen für das, was Dr. Marjorie Foyle mit „honorably wounded“ bezeichnet hat – „im Einsatz ehrenhaft verletzt“.
Elmar Spohn
(D.Th., University of South Africa) war acht Jahre Missionar in Tansania und ist seit 2013 Dozent für interkulturelle Studien bei CIU Korntal.