Proklamieren oder Vermitteln?
Von der Kunst, Menschen etwas beizubringen.
Es gehört wohl zu den herausforderndsten Aufgaben in unserem Bildungsauftrag, vom Proklamieren von Inhalten, Werten und Zielen zu ihrer Vermittlung durchzudringen.
Die Synonyme für das Proklamieren lauten erklären, bekannt geben, äußern, deklarieren, verlautbaren oder publizieren. Hiermit beginnt natürlich alles. Die Proklamation ist unerlässlich. Sie hat eine ihr eigene Kraft und Wirksamkeit. Mittels der Proklamation werden Ziele, Inhalte und Werte bekannt und hörbar gemacht. Nur so gewinnen sie überhaupt ihre erste Gestalt, ihre Wirklichkeit und Gegenwart. Und was gehört wird, bleibt nie ohne Wirkung, wenn es nicht vergessen wird. Die Proklamation kündigt etwas an und verlangt Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich diesem Angekündigten, Verkündigten zuzuwenden.
Proklamation ist nie unverbindlich. Weil das so ist, keimt oft schon die Hoffnung auf, dass über eine gründliche, hochwertige, anspruchsvolle und gut verständliche Mitteilung hinaus, schon mehr geschieht im Menschen, als dass er nur Kenntnis über etwas erlangt.
Aber Menschen wichtige Bildungsziele, Inhalte und Werte anzusagen, sie zu verkünden und verlautbaren zu lassen, ist noch lange nicht ihre Vermittlung.
Proklamation mit Hoffnung zu verbinden, ist deshalb kaum wirksam. Proklamation mit Vermittlung zu verbinden ist viel wirksamer.
Die Synonyme für Vermittlung lauten übertragen, weitergeben, kommunizieren, zeigen und beibringen. Was Menschen proklamiert wird, muss ihnen auch beigebracht werden. Das heißt, wer etwas proklamiert, muss es auch beibringen können. Nun wird Bildung richtig spannend. Werte, Inhalte und Ziele dürfen nicht in der Proklamation ihre Endgestalt finden, sondern sie drängen darauf, im Menschen, der sie hört, Gestalt anzunehmen und so nach außen in die Welt und andere Menschen hinein zu wirken. Doch eben dazu bedarf es der Vermittlung. Das ist die große Herausforderung.
Was ist die wichtigste Voraussetzung, um vom Proklamieren der Bildungsziele, Inhalte und Werte zu ihrer Vermittlung durchzudringen? Die wichtigste Voraussetzung liegt in der Person dessen, die sie lehrt. Sie kann erst dann vermitteln, wenn sie die Ziele, Inhalte und Werte persönlich beglaubigen, bekräftigen, bestätigen und versichern kann. Mit anderen Worten, wenn sie sie selbst bezeugen kann, dann weiß sie sie zu vermitteln. Da liegt der Schlüssel.
Das ist der Grund, warum die gute Nachricht, das Evangelium, von Generation zu Generation erfolgreich weitergegeben wird und zahllose Menschen zutiefst verändern konnte. Es wurde nie nur proklamiert. Es wurde immer auch vermittelt von Menschen, die es bestätigen, die es also bezeugen konnten.
Das Urbild aller Bildung ist demnach ein theologisches Bild. Als Gott uns seine Menschenliebe erscheinen ließ, da blieb er nicht bei der Ankündigung dieser Liebe stehen. Durch Mose und die Propheten ließ er sie zunächst proklamieren. So gaben sie Gottes Liebe durch ihre Worte eine erste Gestalt. Doch Gott drang weiter zur Vermittlung seiner Liebe durch. In Jesus brachte er sie uns persönlich bei und in Jesus hat er sie auch persönlich bestätigt.
So gelangen auch wir von der Proklamation unserer Werte, Ziele und Inhalte von Bildung zu ihrer Vermittlung, wenn wir sie persönlich bestätigen, beglaubigen und bekräftigen können. Dann können wir sie den Menschen beibringen, die ihrer Proklamation zuvor ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.
Joachim Pomrehn