Informationsflut: Wenn die Menge uns nicht zum Ziel bringt …
EDITORIAL • JANUAR 2023
Die Entwicklung unserer Kommunikations- und Medienlandschaft hat zu einem ungeheuren Anstieg an Informationen geführt, die uns täglich angeboten werden. Allein eine einzige Tageszeitung enthält heute mehr Text als ein durchschnittlicher Mensch in Europa vor 100 Jahren in seinem ganzen Leben gelesen hat. Aber – wer liest heute noch die Tageszeitung von vorne bis hinten, wo es News-Apps, YouTube, Instagram und so vieles mehr gibt? Viele Informationen erreichen uns kostenlos, solange wir nebenbei auch einen kurzen Blick auf etwas Werbung werfen. So wertvoll sind wir als Empfänger von Informationen.
Sind wir uns bewusst, wie wertvoll – auch für uns –unsere Zeit, Aufmerksamkeit und mentale Energie sind? Sie sind begrenzt und ihre Ausrichtung hat einen großen Einfluss darauf, was wir tun und letztlich auch wer wir sind (Sprüche 23,7).
Wenige bestreiten, dass unser heutiges Informationsangebot die menschliche Kapazität zur Informationsverarbeitung und sinnvollen Nutzung der Informationen weit übersteigt. Aber geht es denn mit weniger Informationen? Könnte ich nicht etwas Wichtiges verpassen? Könnte vielleicht gerade die Information, die den Unterschied macht, an mir vorbeigehen? Das erinnert mich ein bisschen an Menschen, die vermuten, dass ihr „Glück“ hinter jeder Ecke lauert, und die ihr ganzes Leben in der Spannung leben, ihr „Glück“ nicht zu verpassen, statt in dem Frieden geborgen zu sein, dass unser himmlischer Vater uns kennt, leitet und versorgt.
Wenn wir uns nicht von der Informationsflut mitreißen und überwältigen lassen wollen, sondern unser Leben weise, zielführend und wertvoll gestalten möchten, müssen wir Kontrolle über die Informationen erreichen, die wir aufnehmen. Die Kunst dabei ist, nicht nur die Menge zu reduzieren, sondern vor allem auch zu unterscheiden, was wichtig und wertvoll ist und was nicht. Wir müssen eine Auswahl treffen.
Das Verhältnis von Signal zu Hintergrundgeräusch (signal-to-noise ratio), vom wirklichen Informationsgehalt zum Rauschen im Hintergrund, bei dem keine richtigen Informationen transportiert werden, ist nicht nur in der Nachrichtentechnik ein wichtiges Maß. Um gut leben und gut entscheiden zu können, müssen wir in allen Teilen unseres Lebens lernen, den wirklichen Inhalt von ablenkenden, zunehmend lauten, aber unbedeutenden Geräuschen zu trennen (Kahneman, Sibony & Sunstein, 2021*; Taleb, 2007**).
Wir brauchen einen Fokus. Eine wunderbare Eigenschaft des Fokussierens ist es, dass beim Konzentrieren auf den Fokus der Hintergrund automatisch ausgeblendet wird. Alles, was man braucht, ist die Entscheidung, was in den Fokus gehört, und die Konzentration, den Fokus zu halten.
Dies kann aber nur gelingen, wenn wir gelernt haben, auf welche Informationen es ankommt – und auf welche nicht. Dieses Lernen kann nur wirklich durch den Architekten unseres Lebens, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens geschehen (Hebräer 12,2). Jesus lädt uns ein, auf ihn zu sehen und von ihm zu lernen, worauf es wirklich ankommt.
Diese Kunst, das Bedeutsame von Nebengeräuschen und Hintergrundrauschen zu trennen, und uns ganz darauf konzentrieren zu können, wird in Zukunft die Qualität unseres Lebens und unserer Entscheidungen bestimmen.
Jim Elliot erinnerte uns daran: Der ist kein Narr, der hingibt, was er nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann. Genauso muss man heute sagen: Der ist kein Narr, der ausblendet, was er nicht verarbeiten kann, um aufzunehmen, was wirklich wichtig ist. Dafür wünsche ich uns Gottes Gnade, effektives Lernen und mutiges Auswählen.
*Noise (Kahneman, Sibony & Sunstein, 2021); **Fooled by randomness (Taleb, 2007)
Foto: Luis Villasmil/unsplash.com